Hintergrund

Regisseur Wes Ball: «Noch ein ‹Planet of the Apes›-Film!? Genau das dachte ich anfangs auch»

Luca Fontana
7.5.2024

Es war für Regisseur Wes Ball kein Leichtes, das erfolgreiche Reboot des «Planet of the Apes»-Franchises fortzusetzen. Warum er es dennoch getan hat, und wie er die grossen Herausforderungen meisterte, erzählt er mir im exklusiven Interview.

Das Interview wurde am 26. April aufgezeichnet. Du findest es im Video oben (auf Englisch). Alternativ kannst du das Gespräch auch hier in schriftlicher Form und auf Deutsch nachlesen.

Affen. Zusammen. Stark. Seit «Rise of the Planet of the Apes» aus dem Jahr 2011, also der Neuinterpretation des 1968 gestarteten Franchises, führte der genmanipulierte Schimpanse Caesar (Andy Serkis) seine Sippschaft nach diesem Credo. Denn als ein vom Menschen geschaffener Virus die Intelligenz der Affen zu verstärken begann, bewirkte derselbe Virus bei Menschen das genaue Gegenteil – sofern sie überhaupt überlebten.

Im neuen Film «Kingdom of the Planet of the Apes», drei Filme und hunderte Generationen später, gilt Caesar zwar längst als Mythos, aber die Affen sind trotzdem zur vorherrschenden Spezies auf dem Planeten aufgestiegen. Regie geführt hat diesmal Wes Ball. Bekannt wurde der 43-jährige US-Amerikaner durch die «Maze Runner»-Trilogie. Im Interview mit mir spricht er über den Sinn und Unsinn einer erneuten «Planet of the Apes»-Fortsetzung, das Vermächtnis der alten Filme und über die Schwierigkeit, einen solch grossen Blockbuster zu stemmen.


Wes, hast du nach dem grossartigen Abschluss von Caesars Reise in «War of the Planet of the Apes» nie daran gezweifelt, ob es überhaupt noch eine erneute Fortsetzung des Franchises braucht?
Wes Ball: (lacht) Genau das dachte ich anfangs auch. Wozu noch ein Film? Aber weisst du, in den vergangenen 55 Jahren sind zehn «Planet of the Apes»-Filme entstanden. Seit Generationen strahlt das Franchise einen unwiderstehlichen Reiz aus. Die Frage lautete also nicht, ob wir noch einen Film drehen, sondern ob er erneut ein Reboot oder doch lieber eine Fortsetzung werden sollte. Entschieden haben wir uns dann für Folgendes: Unsere Geschichte spielt zwar im gleichen «Universum» wie das Reboot, aber hunderte Jahre nach Caesars letztem Auftritt. Er selbst ist zwar noch da – aber nur als Legende. Als Mythos.

Ein cleverer Schachzug. «Kingdom» ist damit zwar eine Art Fortsetzung, aber trotzdem kein komisches Anhängsel einer Geschichte, die bereits zu Ende erzählt worden ist.
Genau! Wer würde sowas sehen wollen? Das wäre total unnötig gewesen.

Du hast auch an der Tonalität geschraubt. Die vorherigen drei Teile waren dystopisch und düster. «Kingdom» hingegen fühlt sich etwas optimistischer an. Abenteuerlicher. Wir dürfen wieder eine ganz neue Welt entdecken, die rankenähnlich über die Erinnerungen an eine alte, längst vergangene Welt gewachsen ist.
Fast schon gruselig, nicht wahr? Ich wollte unbedingt diese wunderschönen Bilder erschaffen, die aber gleichzeitig bedrückend wirken. Eine ständige melancholische Erinnerung daran, wie viele Leben und welches ungeheure Wissen im Laufe der Zeit verloren gegangen ist.

Eine neue Welt – gewachsen über die Erinnerungen an einer längst verlorenen Welt.
Eine neue Welt – gewachsen über die Erinnerungen an einer längst verlorenen Welt.
Quelle: 20th Century Studios

Jetzt, da ich darüber nachdenke: Du bist bisher ja am besten für die Verfilmung der «Maze Runner»-Romane bekannt. Ebenfalls eine dystopische Welt …
Stimmt! Irgendwie finde ich mich ständig in solchen kaputten Landschaften wieder (lacht). Aber das ist schon in Ordnung.

War es denn befreiender, dir eine ganz neue Geschichte in einem ganz neuen Setting auszudenken? Oder ist es doch eher einschüchternd, keinen Leitfaden wie eine Buchvorlage mehr zu haben, auf die du dich stützen kannst?
Nun, auf eine gewisse Weise haben wir auch bei «Kingdom» einen Leitfaden. Zwar nicht in Form von Büchern. Aber eben, seit dem ersten «Planet of the Apes»-Film im Jahr 1968 gab es schon neun weitere Filme. Wir hatten also durchaus Rahmenbedingungen und Spielregeln – aber auch jede Menge Inspirationen, auf die wir uns stützen konnten.

Zum Beispiel, dass die Affen jetzt auch wirklich reden können, weil sie sich weiterentwickelt haben …
Genau. Oder dass es wilde Menschen geben muss, deren Intelligenz massiv abgenommen hat. Und trotzdem: Die alten Filme spielen fast 2000 Jahre in der Zukunft. Das Reboot in unserer Gegenwart. Wir hingegen beginnen unseren Film etwa 200 bis 300 Jahre nach Caesars Geschichte. Das wiederum gab uns trotz gewissen Spielregeln viele kreative Freiheiten. Es war ein toller Prozess.

Eine direkte Fortsetzung von ‹War of the Planet of the Apes›? Wer würde sowas sehen wollen? Das wäre total unnötig gewesen.

Dazu hattest du die Hilfe von Rick Jaffa und Amanda Silver, die bereits die vorherigen drei Teile mitgeschrieben haben.
Oh, ihre Hilfe war entscheidend! Rick und Amanda waren die zwei Ersten, die ich auf die Fortsetzung angesprochen habe. Ich will ja nicht für sie sprechen, aber ich glaube, sie waren auch skeptisch. So nach dem Motto: «Wirklich? Noch einen Film?» Dann assen wir zusammen zu Mittag, und ich habe ihnen einfach all diese verrückten Ideen vorgelegt, die mir durch Kopf schwirrten.

Ein richtiges Pitch Meeting. Danach waren sie an Bord, nehme ich an?
Sie waren sogar so begeistert, dass wir noch Josh Friedman mit ins Boot holten. Er half Rick und Amanda schon beim Schreiben von «Avatar: The Way of Water». Zusammen haben sie dann aus all meinen Ideen einen Handlungsfaden gesponnen, der dem Vermächtnis der vorherigen drei Filme gerecht wird.

Regisseur Wes Ball beim Dreh von «Kingdom of the Planet of the Apes».
Regisseur Wes Ball beim Dreh von «Kingdom of the Planet of the Apes».
Quelle: 20th Century Studios
Ich denke, ‹Kingdom of the Planet of the Apes› wird die Leute auch nach dem Verlassen des Kinosaals zum Nachdenken anregen.

Dieses Vermächtnis, gerade in Form von Caesars Mythos, hallt wirklich durch den ganzen Film wieder. Das hat mich sehr bewegt.
Es ist tatsächlich ein faszinierender Mythos, der manchmal mehr, manchmal weniger verborgen den ganzen Film begleitet. Ich denke, «Kingdom of the Planet of the Apes» wird die Leute auch nach dem Verlassen des Kinosaals zum Nachdenken anregen.

Du hast zum Glück auch einen tollen Hauptdarsteller in Owen Teague, der den Film auf seinen Schultern trägt. Wie beängstigend war es, jemanden finden zu müssen, der die grossen Fussstapfen des Andy Serkis füllt?
Kannst du dir das vorstellen? Ich hatte einen riesigen Bammel davor! Dann tauchte Owen Teagues Casting-Tape auf. Ich glaube, es war erst das zweite Tape, das ich zu sehen bekam. Und ich wusste sofort: Das ist er. Das ist unser Hauptdarsteller. Wir haben ihn schon. Ein Wunder! Ein grossartiges Gefühl. Und später erfuhr ich, dass Owen nur deshalb Schauspieler geworden ist, weil er Andy Serkis in Peter Jacksons «King Kong» gesehen hatte.

Nicht dein Ernst!
Doch! Unglaublich, wie sich dieser Kreis schloss. Aber auch alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler verdienen grosse Anerkennung. Für die meisten war es der erste grosse Kinofilm. Und dann noch die herausfordernde Arbeit mit den Motion-Capturing-Anzügen …

Owen Teague als Affe Noa in «Kingdom of the Planet of the Apes».
Owen Teague als Affe Noa in «Kingdom of the Planet of the Apes».
Quelle: 20th Century Studios
Aber Mann, es war wirklich schwierig. Ich habe ganz neuen Respekt für Matt Reeves gefunden, der schon zwei ‹Planet of the Apes›-Filme gedreht hat.

Apropos: Es war auch dein erster grosser Film mit Motion Capturing, richtig?
Oh, es war wild! Meine drei «Maze Runner»-Filme haben zusammen nicht so viel gekostet wie «Kingdom of the Planet of the Apes». Zum Glück habe ich aber mit «Mouse Guard» schon etwas Erfahrung mit Motion Capturing gesammelt – auch wenn der Film noch bei seiner Entstehung eingestampft wurde, als 20th Century Fox von Disney aufgekauft worden ist. Dazu habe ich mich ohnehin schon immer als Künstler gesehen, der gerne mit visuellen Effekten arbeitet.

Dann muss dir die Zusammenarbeit mit dem Wētā FX, dem Studio für die visuellen Effekte, besonders viel Spass gemacht haben.
Und wie! Die Kraft, die in diesen computergenerierten Bildern steckt, ist schlichtweg atemberaubend. Erik Winquist kehrte nach «Dawn of the Planet of the Apes» zum Glück erneut als Supervisor für die visuellen Effekte zurück. Seine Erfahrung kann nicht in Gold aufgewogen werden. Dazu noch all die anderen Künstlerinnen und Künstler bei Wētā FX, die schon drei «Planet of the Apes»-Filme gemacht haben … Das sind einfach die besten Leute in diesem Bereich.

Wie sieht’s bei dir mit einem zweiten «Planet of the Apes»-Film aus? Hast du noch Ideen?
Natürlich. Aber Mann, es war wirklich schwierig. Ich habe ganz neuen Respekt für Matt Reeves gefunden, der schon zwei «Planet of the Apes»-Filme gedreht hat (lacht). Ich hoffe trotzdem, dass ich erneut die Gelegenheit bekommen werde, die Geschichte fortzusetzen, falls das Publikum sich mehr davon wünscht.

Das hoffe ich auch. Und ich würde dir am liebsten den ganzen Tag weitere Fragen stellen, aber ich glaube, meine Zeit ist um.
Nächstes Mal wieder, Luca. Danke dir, ich habe deine Fragen sehr geschätzt.


In «Kingdom of the Planet of the Apes» begleiten wir den jungen Schimpansen Noa (Owen Teague) auf seiner Reise quer durch eine mystische, ihm gänzlich unbekannte Welt. Als Angehöriger eines friedvollen Affenstamms denkt er eigentlich an nichts anderes als an die kommende Reifeprüfung, deren Bestehen ihn zu einem Erwachsenen des Stamms machen würde. Doch dann greift ein fremder, kriegerischer Stamm an, auf der Suche nach etwas – nach jemandem –, und entführt seine Liebsten. Nun muss sich Noa aufmachen und zum ersten Mal seine Heimat verlassen, um seinen Stamm zu retten.

«Kingdom of the Planet of the Apes» läuft ab dem 8. Mai im Kino und ist ab 12 Jahren freigegeben.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder.Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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